MERICS: Von gedankenlosen Denkfabriken

MERICS - Von gedankenlosen Denkfabriken

MERICS: Von gedankenlosen Denkfabriken

Von Andrea Andromidas Andrea Andromidas Wenn es um die Meinung des MERICS (Mercator Institute for China Studies) geht, sind die Fronten geklärt. China expandiert auf Kosten des Rests de Welt. Wenn es um eine differenzierte Betrachtung geht und man den Ansichten der renommierten Journalisten und China Expertin Andrea Andromidas folgen will, sieht die Welt allerdings anders aus. China betreibt eine kluge und vorausschauende Wirtschafts- und Energiepolitik. Diese auf den ersten Blick diametralen Anschauungen verwirren zunächst den interessierten Leser und erklärt werden. Beide machen ihre Ansichten am zukünftigen Energieverbrauch in China, Europa und Deutschland fest. Doch während man in Deutschland eine insgesamt drastische Einschränkung des Energieverbrauchs anstrebt, geht China ganz im Gegenteil davon aus, daß eine zivilisatorische Entwicklung der Weltbevölkerung ohne eine ausreichende und stetig wachsende Energieversorgung überhaupt nicht möglich ist. Im Rahmen des laufenden Fünfjahresplans war die Rede von insgesamt 343 Milliarden Euro für „CO2-freie“ Stromerzeugungstechnik. Obwohl insgesamt die meisten Wind- und Solaranlagen immer noch in China stehen, ist die Euphorie längst verflogen, weil erwartungsgemäß die Probleme mit der Wetterabhängigkeit in China nicht kleiner sind als überall sonst. Deshalb wurde 2016 der weitere Ausbau von Windkraftprojekten gerade in den windigsten Regionen gestoppt, weil überschüssige Windenergie die Netze gefährdet und ungenutzt entsorgt werden muß. Wir haben uns daher entschlossen diesen Beitrag zu veröffentlichen, um wenigstens einen kleinen Betrag zur notwendigen Diskussion über die zukünftige Energieversorgung des westeuropäischen Industrieländer zu leisten. Hinzu kommt die Frage, ob die EU und insbesondere Deutschland überhaupt in Hinblick auf die Erhaltung des Industriestandortes vernünftig aufgestellt ist. Zweifel sind angebracht. Aber machen Sie sich selbst ein Bild und lesen Sie den Artikel.    

Wenn elitäre Denkfabriken zugeben müssen, daß sie mit ihren Einschätzungen über längere Zeiträume völlig daneben lagen, deutet alles darauf hin, daß in der analytischen Methode etwas Grundsätzliches nicht stimmt. Worüber wir hier sprechen wollen, ist das, was inzwischen überall als das neue chinesische Entwicklungsmodell unter dem Begriff der modernen Seidenstraße verstanden wird. Nachdem Chinas Präsident Xi Jinping 2013 die Belt & Road-Strategie zur allgemeinen Politik Chinas erklärt hatte, gründete die Mercator-Stiftung noch im gleichen Jahr eigens dafür eine gesonderte Denk-Abteilung, die Mercatorstiftung für China-Studien (MERICS).

Diese Abteilung mußte nun zugeben, daß die chinesische Politik unter Führung der Kommunistischen Partei entgegen der MERICS-Prognosen nicht nur wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich, sondern zukünftig sogar zu entscheidenden technologischen Spitzenleistungen fähig sein wird oder schon ist. Thorsten Benner, Mitverfasser der kürzlich erschienenen Studie „Authoritarian Advance: Responding to China`s Growing Political Influence in Europe“ (Übersetzt etwa: Der autoritäre Vormarsch: Antwort auf Chinas wachsenden Einfluß in Europa) gab in einem Spiegel-Interview vom April 2018 zu, daß man immer davon ausgegangen sei, daß Einparteiensysteme wirtschaftlich nicht erfolgreich sein könnten, sondern wie damals in der Sowjetunion früher oder später kollabieren würden. Was auch falsch gewesen sei, „ist die naive Annahme, daß China unweigerlich so werden würde ,wie wir’ und sich stillschweigend in die soziale Werteskala des Westens einreihen würde. Nun, da wir uns von dieser Illusion verabschieden müssen, ist es angebracht, auch andere Annahmen frisch zu überdenken, wie zum Beispiel die Aufforderung zur gegenseitig vorteilhaften Kooperation.“

Es überrascht nicht, daß sich MERICS ganz im Sinne seiner politischen Intention nicht nur gegen eine solche Kooperation entschieden, sondern auch beschlossen hat, Hürden in den Weg zu stellen. Zwar wird zugegeben, daß China im eigenen Land eine Milliarde Menschen von extremer Armut befreit habe, wovon auch andere Länder profitiert hätten, nicht zuletzt auch Deutschland. Diesem expansiven Entwicklungsmodell lägen aber zutiefst „unliberale autoritäre Methoden“ zugrunde. Bedrohlich sei, daß selbst europäische Länder wie Ungarn, Österreich, Polen und Griechenland dem Reiz dieser fragwürdigen Entwicklungsstrategie erliegen, und deswegen sei es höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Was ist der Kern der Aufregung?

Wir werden jetzt ein Thema herausgreifen, das zu allen Zeiten entscheidend war für Erfolg oder Mißerfolg zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklung, nämlich die Versorgung mit Energie. Hier präsentieren sich uns fundamentale Prinzipien und harte Fakten, anhand derer sich der Leser selbst ein Bild machen kann, was es mit dem Vorwurf „unliberale autoritäre Methoden“ in Wirklichkeit auf sich hat. Schon beim ersten Überblick springen erstaunliche Gegensätze ins Auge, die uns zwingen, zur Kenntnis zu nehmen, daß China in Sachen Energie nicht „wie wir“ werden möchte. Während nämlich China systematisch darauf hinarbeitet, den Energieverbrauch pro Kopf bis zum Jahre 2050 mehr als zu verdoppeln, strebt Deutschland im gleichen Zeitraum eine Reduzierung von mindestens 30% an. Bis zum Jahr 2030 will Chinas Staatsführung einen Verbrauch von 5.500 kWh pro Kopf und Jahr erreichen und diesen Wert bis 2050 auf 8.500 kWh erhöhen. Damit befände sich die Wirtschaft dann an der Schwelle zu den 25 bestversorgten Ländern der Erde. Deutschland hingegen will im Rahmen der Energiewende und der Agenda 2030 den Verbrauch pro Kopf auf 4500 kWh senken, den gegenwärtigen Verbrauch Portugals.

Chinas vorausschauende Energiepolitik

Die gesamte Ökolobby hatte darauf gehofft, daß China den Weg der deutschen Energiewende gehen würde – auch MERICS. Kanzlerin Merkel nebst Berater Schellnhuber wurden nicht müde, die großen Investitionen Chinas in sogenannte erneuerbare Energieprojekte zu preisen. Doch während man in Deutschland, wie wir gleich noch sehen werden, eine insgesamt drastische Einschränkung des Energieverbrauchs anstrebt, geht China ganz im Gegenteil davon aus, daß eine zivilisatorische Entwicklung der Weltbevölkerung ohne eine ausreichende und stetig wachsende Energieversorgung überhaupt nicht möglich ist. Große Investitionen in sogenannte erneuerbare Technik dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß China einen Weg eingeschlagen hat, der überhaupt erst eine zukünftige saubere, gleichzeitig aber hocheffiziente Energietechnik ermöglicht.

Allein im Jahr 2014 steckte China mehr als 80 Milliarden $ in Wind- und Solarenergie, die USA im Vergleich nur 34 Milliarden. Im Rahmen des laufenden Fünfjahresplans war die Rede von insgesamt 343 Milliarden Euro für „CO2-freie“ Stromerzeugungstechnik. Obwohl insgesamt die meisten Wind- und Solaranlagen immer noch in China stehen, ist die Euphorie längst verflogen, weil erwartungsgemäß die Probleme mit der Wetterabhängigkeit in China nicht kleiner sind als überall sonst. Deshalb wurde 2016 der weitere Ausbau von Windkraftprojekten gerade in den windigsten Regionen gestoppt, weil überschüssige Windenergie die Netze gefährdet und ungenutzt entsorgt werden muß.

Darüber hinaus hat man längst erkannt, daß auf absehbare Zeit die Kohle als Kraftwerksbrennstoff genutzt werden muß, was selbst vom Pariser „Abkommen“ ganz offiziell bis 2030 gestattet ist. China hat deswegen entschieden, in moderne effiziente und emissionsarme Kohlekraftwerke auch für den Export in andere asiatische Länder zu investieren. Gegenwärtig spricht man vom Bau moderner Kohlekraftwerke, deren Zahl in die Tausende geht. Langfristig setzt das Land auf den Ausbau der Kernenergie und die Entwicklung der Kernfusion: „Im November 2016 waren in China 36 Kernkraftwerke mit einer Kapazität von 31,4 GW in Betrieb. Von den derzeit im Bau befindlichen 40 Reaktoren sollen allein in diesem Jahr fünf in Betrieb genommen werden. Bei acht weiteren ist der Baubeginn noch in diesem Jahr vorgesehen, und zugleich sollen acht weitere Projekte ,auf Kiel gelegt’ werden. Aktuell veröffentlichter Planungsstand sind 58 GW KKW-Kapazität bis 2020 und 150 bis 250 GW bis 2030. Damit würde die Nuklearkapazität des Landes innerhalb von nur 13 Jahren um den Faktor acht (!) zulegen. Für die Zeit nach 2030 sagen Berichte über entsprechende Planungen noch weit höhere Zuwachsraten voraus. Ein wichtiges Hemmnis scheint derzeit der Mangel an geeigneten Fachleuten zu sein. In Betrieben und Universitäten arbeitet man bereits daran, diese Ausbildungsgänge entsprechend auszubauen. Für den Zeitraum nach 2040 soll in China dann die Stunde der ,Schnelle- Neutronen’-Reaktoren (,Schnelle Brüter’) schlagen, die nuklearen Abfall, Plutonium sowie abgereichertes Uran verwerten können. Ihre Kapazität soll bis 2100 auf 1.400 GW anwachsen. Das allein entspräche etwa 1.000 bis 1.400 weiteren Kernkraftwerken.“(*1) Aber auch diese Technik soll zukünftig durch eine noch effizientere ersetzt werden. Ganz oben auf Chinas langfristigen Plänen steht die Entwicklung der Kernfusion. China ist nicht nur am Bau des Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors (ITER) beteiligt, sondern betreibt auch intensiv sein eigenes Tokamak-Versuchsprogramm.

Europa und die Bundesrepublik im Sinkflug

Welch Gegensatz dazu in Deutschland! Der Bericht der Bundesregierung von 2016 an das sogenannte „Hochrangige Politische Forum für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen“ macht ohne jeden Zweifel deutlich, daß im Rahmen der Agenda 2030 eine drastische Einschränkung des Energieverbrauchs geplant ist, die zwangsläufig eine „umfassende Transformation in allen Lebensbereichen notwendig“ (S.4) macht. Auf Seite 29 heißt es:

„Konkret bedeutet dies: Bis 2020 soll der Gesamt-Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 20% sinken, bis 2050 wird eine Senkung um 50% angestrebt. Der Bruttostromverbrauch soll bis 2050 gegenüber 2008 in einer Größenordnung von 25% vermindert werden. Im Verkehrsbereich soll der Energieverbrauch bis 2050 um rund 40% gegenüber 2005 zurückgehen. Im Gebäudebereich soll der Primärenergiebedarf bis 2050 in einer Größenordnung von 80% verringert werden.“(*2)

Daraus folgt: „Rechnet man diese Angaben entsprechend um, so hat sich Deutschland demnach zu einer Verbrauchsobergrenze von lediglich noch ca. 436 TWh (Terawattstunden) verpflichtet, für die Produktion ergäbe sich daraus ein Maximalwert von ca. 450 TWh. Im Jahr 2016 lag die Produktion mit 648,2 TWh um 44% höher. Da zudem Öl, Gas und Kohle (und zugleich die Kernkraft) drastisch reduziert werden sollen, kann man sich eine Vorstellung davon machen, welche Abstriche am bisherigen Lebensstandard auf die Bevölkerung zukommen. Und die Umstellung des Verkehrs auf Elektroautos sollten wir auch nicht vergessen: 45 Mio. Pkw und die bisher mit Diesel betriebenen Flotten von LKW und Bussen würden alleine schon beim jetzigen Stand jährlich 337 TWh benötigen. Da bliebe für den restlichen Bedarf der Bevölkerung nicht allzu viel übrig.“(*3) Was davon unter normalen Umständen überhaupt umsetzbar und machbar wäre, soll hier nicht diskutiert werden; dazu haben Fachleute schon genügend geschrieben. Wesentlich ist, daß die Bundesregierung eine drastische Senkung des pro Kopf-Energieverbrauchs von heute etwa 7000 kWh auf 4500 kWh plant und diese Politik auch außenpolitisch zur Maxime erklärt hat. Da der normale Leser sich das wahrscheinlich kaum vorstellen kann, sei hier daran erinnert, was der sogenannte „Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen“ 2011 in dem Traktat mit der Überschrift „Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation“ niedergeschrieben hat, welches nichts weniger beinhaltet als Empfehlungen für die Errichtung einer weltweiten Ökodiktatur unter dem Vorwand einer zu diesem Zweck erfundenen, angeblich vom Menschen gemachten Klimakatastrophe. Auf Seite 3 heißt es dort: „Die notwendige Dekarbonisierung der Energiesysteme bedeutet einen hohen Handlungsdruck nicht nur in Industrieländern, sondern auch in dynamisch wachsenden Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch arme Entwicklungsländer müssen mittelfristig auf einen emissionsarmen Entwicklungspfad einschwenken. Das Zeitalter des auf Nutzung fossiler Energieträger basierenden Wirtschaftswachstums muß beendet werden.“(*4) Wo die Ideologie herrscht, braucht man die Diktatur. In dem Papier fordert der Beirat erst den gestaltenden Staat, ein paar Seiten weiter den starken Staat, dann den starken Ökostaat. Zitat: „Der WBGU empfiehlt, diese Ziele auf vier miteinander zusammenhängenden Ebenen zu verfolgen: materiell-rechtlich durch Festlegung von Klimaschutzzielen in einem Klimaschutzgesetz, verfassungsrechtlich durch eine entsprechende Staatszielbestimmung Klimaschutz, prozedural durch erweiterte Informations-, Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürger und Nichtregierungsorganisationen und institutionell durch ein Klimapolitisches Mainstreaming der Staatsorganisation (etwa durch Bildung eines Umwelt-, Klima und Energieministeriums)“.(*5)

Gleiches wird dann für die EU-Ebene und bis zum Weltsicherheitsrat gefordert. Arroganterweise geht die Forderung sogar so weit, die gesamte Weltbevölkerung dem Diktat einer Ökoideologie im Rahmen einer Weltregierung zu unterwerfen. Unter diesen gegensätzlichen Bedingungen ist eine Win-Win-Kooperation, wie sie von China vorgeschlagen wird, nicht vorstellbar. Während China gerade dabei ist, sich überhaupt den Freiraum zur Lösung all seiner Probleme zu schaffen, schneiden wir uns gerade den Weg dazu ab. China wird in der Lage sein, sowohl seine Umweltprobleme in den Griff zu bekommen als auch irgendwann ganz ohne die Verbrennung fossiler Rohstoffe auszukommen und den Weg in eine moderne Zivilisation zu bereiten. Die Bundesregierung dagegen folgt ideologisch zwanghaften Vorgaben. Sie hat die Versorgung der Bevölkerung unter freiheitlichen Bedingungen, und dazu gehört ohne Zweifel die Erzeugung ausreichender Energie, ganz aus den Augen verloren, auch außenpolitisch. Aus rein ideologischen Gründen überläßt man lieber ganze Länder ihrem dramatischen Energiemangel, als den Bau irgendeines Kohlekraftwerks zu unterstützen. Mehr als verständlich, daß das Ansehen dieser Regierung samt ihrer Denkfabriken hier, europaweit und auch im Rest der Welt rapide abnimmt. Man täte gut daran, die Arroganz abzulegen und sich einmal die Größenverhältnisse vor Augen zu führen. Im Vergleich zu Asien und dem aufstrebenden Afrika ist Europa nur eine winzige Insel. Schon allein deswegen wäre es schlauer, das Kooperationsangebot der Belt & Road-Strategie anzunehmen. Fake-News-Denkfabriken lassen sich ebenso schnell schließen, wie man sie eröffnete.

Anmerkungen: *1. Von der EIKE-Homepage, zitiert mit freundlicher Genehmigung aus dem Beitrag von Fred F. Müller „Langfristige Planungen auf realistischer Grundlage: Chinas Energiepolitik“, 7.3.2017 (https://www.eike-klima-energie.eu/2017/03/07/langfristige-planungen-auf- realistischer-grundlage-chinas-energiepolitik/) *2. Bericht der Bundesregierung zum High Level Political Forum on Sustainable Development 2016 (https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/Presse/HLPF-Bericht_final_DE.pdf) *3. Siehe 1. *4. WBGU Hauptgutachten 2011: „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ (https://www.bundestag.de/blob/434158/6fbf11d713565fa35d4387383389407d/adrs-18-228- data.pdf) *5. Ebenda.
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