Das Billionen-Projekt Chinas

Das Billionen-Projekt

Quelle: Süddeutsche Zeitung (zum Originalartikel)

Deutsche Unternehmen wollen verhindern, dass sie bei Chinas neuer Seidenstraße abgehängt werden. Einige haben deshalb einen Verband gegründet, um Druck auf die Politik auszuüben und sich besser zu positionieren.

Gerade erst hatte die EU China als Systemrivalen gebrandmarkt, da sorgte Italien mit seinem überraschenden Kurs in Richtung neue Seidenstraße für jede Menge Aufregung. Die milliardenschwere Vereinbarung zwischen Peking und Rom über die Nutzung des Containerhafens von Triest durch chinesische Staatskonzerne und wohl auch andere Häfen entlang der italienischen Küste bedeutete einen Vorstoß des Systemrivalen in die intimsten Netzwerke der westlichen Industrienationen. Entsprechend empört klangen die Reaktionen von Europa bis in die USA, wo sich die Sorge breitmachte, dass Chinesen ihre wachsende Präsenz in der EU zu geostrategischen Zwecken missbrauchen könnten.

Die Firmen erwarten, dass sich der Staat auch finanziell beteiligt

Innerhalb der EU ist man sich schon lange nicht mehr einig, wie man mit der weltumspannenden One-Belt-one-Road-Initiative (OBOR, ein Band, eine Straße) der Volksrepublik umgehen soll. Bislang war Europa zwar immerhin nur in zwei Lager gespalten. Da waren einerseits die ost- und südosteuropäischen Länder, die sich mit den Chinesen im gemeinsamen 16+1-Forum regelmäßig austauschen und auf Kredite und Handelsvorteile hoffen. Demgegenüber standen die westeuropäischen Nationen, von denen jetzt die Italiener ausscherten. Die politische Symbolik dieser Kooperation zwischen Italien und der Volksrepublik schmerzt auch die G 7, deren Mitglied Italien ist. China ist es gelungen, den Interessenblock der größten Industrienationen der Welt mit seinen enormen finanziellen Möglichkeiten in seinem Kern auseinanderzudividieren. Die neue Seidenstraße, wie sie genannt wird, ist mehr als die asphaltierte Version eines Wüstenpfades antiker Tage. Sie soll in Europa, in Teilen Afrikas, in Zentral- und Südasien, im Nahen Osten und in Südostasien Handel und Transport des 21. Jahrhunderts im chinesischen Sinne prägen und verändern. Sie soll Chinas Hinterland wirtschaftlich aufpäppeln, indem sie die Regionen mit den Nachbarländern im Westen verknüpft. Sie soll Produktionsüberkapazitäten aus der Volksrepublik in Entwicklungsländer exportieren, um dort neue Märkte für chinesische Firmen zu erschließen und technische Standards zu etablieren.

Das Tempo, das China vorlegt, ist immens. Dutzende Länder hat Peking bereits integriert und Abermilliarden Dollar investiert: Containerhäfen, Terminals, Eisenbahnlinien, Kraftwerke, Straßen, Raffinerien. Schätzungen gehen davon aus, dass sich das finanzielle Volumen in den kommenden 30 Jahren auf mehrere Billionen Dollar belaufen könnte. Solche Summen wecken Begehrlichkeiten auch bei deutschen Firmen, die als Zulieferer großer Projekte entlang der Routen und Handelswege tätig werden könnten.

Einige Unternehmen haben sich bereits im Bundesverband Deutsche Seidenstraßen-Initiative (BVDSI) zusammengefunden, auch um den Druck auf die Politik zu erhöhen, sich besser zu positionieren im industriellen Schlachtfeld der Zukunft. Es gehe darum, Einfluss auf ordnungspolitische und menschenrechtliche Rahmenbedingungen zu nehmen, um den Chinesen nicht in großen Teilen Asiens und Europas und schon gar nicht vor der eigenen Haustür die Rolle des Normsetzers zu überlassen. Bei der Gründungsveranstaltung des BVDSI Anfang April in der Handelskammer Bremen sagte der Vorstandssprecher Hans von Helldorff: „Umso früher wir in einen von unseren Interessen geleiteten, konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit den Ländern entlang der neuen Seidenstraßen und in einen ebensolchen Dialog mit China treten, umso früher kann in Prozesse eingegriffen werden, die Deutschland und die EU für anpassungswürdig erachten. Es geht jetzt um die Frage, ob und wie die deutsche Wirtschaft nachhaltig an neuen globalen Wertschöpfungspotenzialen partizipieren kann.“ Dem Verband wird jedoch vorgeworfen, dass er Chinas Defizite im Umgang mit Bürgerrechten und demokratischen Werten zu unkritisch bewertet.

Der BVDSI befürchtet, dass deutsche Firmen bald nur noch die Rolle eines Zaungastes einnehmen könnten. Er kritisiert mangelnde Koordination, die den Firmen dabei helfen könnte, Ausschreibungen aufzuspüren. Tatsächlich sind viele Infrastrukturprojekte nicht transparent ausgeschrieben. Die Firmen erwarten, dass sich die Politik intensiv mit den Projekten rund um die neue Seidenstraße auseinandersetzt und sich auch finanziell daran beteiligt. Nur so könne es gelingen, Mittelständlern verstärkt Zugang zu interessanten Infrastrukturprojekten zu ermöglichen. „Der Seidenstraßen-Zug rollt und wird in den nächsten Jahren weitere 1,5 Milliarden Menschen an die größten Wirtschaftsräume dieser Erde mit einem enormen Wohlstandpotenzial anbinden“, sagte Helldorff.

Eine Beteiligung der Bundesregierung an der Finanzierung ist zwar eher unwahrscheinlich. Firmen haben aber mit der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) eine neue Option, um an Geld zu kommen. Viele europäischen Länder, darunter auch Deutschland, haben sich in die von China gegründete Bank eingekauft und damit direkten Einfluss auf deren Gebaren. Wegen ihrer internationalen Struktur sorgt die AIIB für Transparenz bei Ausschreibungen. Projekte der neuen Seidenstraße-Initiative genießen zwar keine Priorität, sind aber potenzielle Ziele für Kredite.

Eine Studie der Freien Universität Brüssel fand heraus, dass der Anteil europäischer Hochtechnologie auf den Märkten jener Länder, die zu den Anrainern der neuen Seidenstraße-Initiative gezählt werden, von 2008 bis 2014 von 62 auf 30 Prozent gesunken war. Der Anteil chinesischer Technologie stieg derweil von 15 auf 26 Prozent. EU-Firmen werden aus den Märkten gedrängt. Die neue Seidenstraße könnte diese Entwicklung beschleunigen. Doch klar ist auch, dass die Chinesen nichts zu verschenken haben und die Vergabe von Aufträgen an ihre Bedingungen knüpfen wollen. Die Politik ruft Firmen dazu auf, besonders ihr technisches Know-how nicht um jeden Preis aufzugeben, sollten die Chinesen solche Zugeständnisse erwarten.

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